FEATURE | 4 Oct 2022

„Friedensbildung ist keine Feuerwehr.“

Empfehlungen für die Zukunft der Friedensbildung

image missing ALT text Unsere neuste Studie gibt einen Überblick über friedenspädagogische Ansätze und aktuelle Entwicklungen im deutschsprachigen Raum. Photo © Berghof Foundation

Eine Studie der Berghof Foundation zeigt, Friedensbildung ist wichtiger denn je. Ihre Ansätze müssen strukturell im Bildungssystem verankert werden.


 

Besonders seit dem Krieg in der Ukraine wird in Gesellschaft, Politik und Medien diskutiert, wie eine Abkehr von Krieg und Gewalt möglich wird und eine friedliche Zukunft gelingen kann. Friedensbildung im formalen Schulsystem kann hierbei einen wichtigen, gewaltpräventiven Ansatz bieten. Vor dem Hintergrund der vielfältigen Praxisansätze und Verständnisse von Friedensbildung hat sich die Berghof Foundation mit dem von der Deutschen Stiftung Friedensforschung geförderten Projekt "State-of-the-Art Report zur Friedensbildung im deutschsprachigen Raum (StArt)" zur Aufgabe gemacht, einen Überblick über aktuelle Entwicklungen, Ansätze und Chancenpotenziale der Friedensbildung im deutschsprachigen Raum zu erarbeiten. Dabei wurden vorliegende Erkenntnisse aus Theorie und Praxis systematisch zusammengetragen und ausgewertet, um daraus Empfehlungen für Forschung, (schul-)politische Entscheidungsträger*innen sowie für die pädagogische Praxis an Schulen abzuleiten.

Die Studie „State of the Art Friedensbildung“ zeigt, dass für eine strukturelle Stärkung von Friedensbildung ein Zusammenspiel auf verschiedenen Ebenen notwendig ist, damit Friedensbildung in der Gesellschaft nachhaltige Wirkung entfalten kann. Daraus ergibt sich, dass Friedensbildung als Querschnittsthema im Bildungssystem gestärkt werden kann, indem einerseits Lehrpläne mit friedenspädagogischen Inhalten erweitert werden. Andererseits muss Friedensbildung auch in der Lehrkräfteaus- und Weiterbildung verankert werden. Zudem braucht es einen bundesweiten Ausbau von Beratungs-, Vernetzungs- und Fachstellen für Friedensbildung. Denn, wie der Leiter des Forschungsprojektes Uli Jäger in unserem Podcast "Friedensstark" betont, ist Friedensbildung „keine Feuerwehr in Notlagen und auch keine Eintagsfliege. “

Über die Grundlagenforschung hinaus

Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass es eine Einrichtung von Lehrstühlen für Friedensbildung bedarf, welche neben Grundlagenforschung auch die Wirkungs- und Begleitforschung von Praxisprojekten der Friedensbildung empirisch untersuchen. Denn bislang gibt es zu wenig empirische Daten über die Wirkungspotenziale friedenspädagogischer Ansätze und Methoden. Darüber hinaus sollten Analysen von Schulbüchern und Lernmedien hinsichtlich ihrer friedenspädagogischen Ausrichtung gemacht werden. Zudem braucht es eine stärkere, interdisziplinäre Vernetzung verschiedener Bezugswissenschaften, um die Integration von Friedensbildung in Fachdidaktiken zu ermöglichen.

Friedensbildung ist keine Feuerwehr in Notlagen und auch keine Eintagsfliege. Friedensbildung muss nachhaltig sein.Uli Jäger. Das ganze Interview ist zu hören im Podcast des Projekts „Friedensstark“.

Mit anderen Akteur*innen innerhalb der Bildungsarbeit vernetzen

Akteur*innen der Friedensbildung sollten Kooperationen mit verwandten pädagogischen Ansätzen (wie z.B. Bildung für nachhaltige Entwicklung, Globales Lernen, Menschenrechtsbildung) stärken. Darüber hinaus empfiehlt sich die Vernetzung mit Transformationsinitiativen im Bereich Schule, um gemeinsam innovative Konzepte im Bereich Kompetenzentwicklung, Potentialentfaltung und einer kollaborativen Prüfungskultur an Schulen zu implementieren.

Friedensbildung in der Schule verankern

Schulen, als zentrale Bildungsinstitution, können durch ein friedensorientiertes Leitbild Friedensbildung als Querschnittsaufgabe in allen Fächern verankern. Darüber hinaus muss Friedensbildung in offiziellen Rahmendokumenten im Bildungswesen integriert werden. Dies könnte durch einen Beschluss der Kultusministerkonferenz sowie durch die Erstellung eines Orientierungsrahmens für Friedensbildung realisiert werden. Zudem bedarf es Beratungs-, Vernetzungs- und Fachstellen für Friedensbildung, wie zum Beispiel in Baden-Württemberg die „Servicestelle Friedensbildung“. Des Weiteren sollte Friedensbildung systematisch in allen Phasen der Lehrkräfteaus- und -fortbildung verankert werden, damit Lehrkräfte Friedensbildung zukünftig flächendeckend in ihren Unterricht integrieren können.

Zusätzlich zum StArt-Report mit Empfehlungen für Politik und Schule wurden in vier Papers weitere Schwerpunktthemen vertieft:

  • Pädagogische Konzepte mit Nähe zur Friedensbildung: Bildung für Demokratie, Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung
    Wie verhält sich Friedensbildung zu den Nachbardisziplinen Politischen Bildung, Globales Lernen, der Entwicklungspolitischen Bildung, der Menschrechtsbildung, der Demokratiepädagogik, der Global Citizenship Education, der (Inter)religiösen Bildung, der Umweltbildung und der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE).
  • Friedensbildung international: Erkenntnisse und Erfahrungen aus Peace-Education-Programmen
    Einblicke in international anerkannte und erprobte Ansätze der Friedensbildung.
  • Impulse für die Friedensbildung: Einblicke in ausgewählte Bezugswissenschaften
    Vergleich zu Friedensforschung, der Pädagogik, der Soziologie, der Sozialpsychologie, der Neurowissenschaften, der Genderforschung und der Medien- und Kommunikationswissenschaften.
  • Inspirationen für die Friedensbildung: Aktuelle Transformationsinitiativen im Bildungswesen
    Viele Transformationsinitiativen verweisen auf Defizite im derzeitigen Bildungssystem sowie den dringenden Bedarf, Schüler*innen auf die globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vorzubereiten. Das Paper gibt daher Einblicke in unterschiedliche Initiativen, welche neue Formen des Lernens und des Zusammenarbeitens in einer zunehmend digitalisierten Welt entwickeln.

 


 

Veröffentlichungen:

Bieß, Cora; Assia Bitzan, Uli Jäger & Anne Kruck 2022: Friedensbildung an Schulen: Entwicklungen, Potenziale, Impulse, Empfehlungen, State-of-the-Art Report Friedensbildung Teil 1, Berlin: Berghof Foundation.

Bieß, Cora 2022: Pädagogische Konzepte mit Nähe zur Friedensbildung: Bildung für Demokratie, Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung, State-of-the-Art Report Friedensbildung Teil 2.1, Berlin: Berghof Foundation.

Kruck, Anne 2022: Friedensbildung international: Erkenntnisse und Erfahrungen aus Peace-Education-Programmen, State-of-the-Art Report Friedensbildung Teil 2.2, Berlin: Berghof Foundation.

Bieß, Cora & Assia Bitzan 2022: Impulse für die Friedensbildung: Einblicke in ausgewählte Bezugswissenschaften, State-of-the-Art Report Friedensbildung Teil 2.3, Berlin: Berghof Foundation.

Bieß, Cora 2022: Inspirationen für die Friedensbildung: Aktuelle Transformationsinitiativen im Bildungswesen, State-of-the-Art Report Friedensbildung Teil 2.4, Berlin: Berghof Foundation.

 


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