BLOG POST | 2 Oct 2024
Friedensbildung in Aktion
Ein Einblick in unsere Arbeit bei der Servicestelle Friedensbildung
Unsere Kollegin berichtet, wie wir Bildungsangebote zum Thema Frieden und Konflikt für Schulen schaffen.
By Jasmin Wölbl
Heute bin ich für die Servicestelle Friedensbildung an einer Realschule zu Besuch. Ich blicke in die teils erwartungsvollen, teils noch etwas misstrauischen Gesichter von 25 Schüler*innen. Sie warten darauf, dass unser Workshop beginnt, in dem es heute um die Auseinandersetzung mit persönlichen und wissenschaftlichen Vorstellungen von Frieden geht. Ganz konkret haben wir Beispiele von Friedensmacher*innen aus aller Welt und die Frage, was Frieden für uns in Deutschland bedeutet, mitgebracht.
Zwei Stunden später kann ich mich nicht entscheiden, was mein Highlight war. Die Diskussion, in der sich die Schüler*innen positionieren sollten, ob sie finden, dass in Deutschland Frieden herrscht? Oder die kreativen Ideen für Friedensaktionen an der Schule, die die Schüler*innen entwickelt haben? Die Auswertung der Feedbackbögen später zeigt klar, was die Schüler*innen am häufigsten überrascht hat: Wie vielfältig Frieden eigentlich ist.
Schulworkshops und Lernmaterial für Lehrende
Bereits seit 2015 besteht die Servicestelle als verstetigte Kooperation der Berghof Foundation, der Landeszentrale für politische Bildung und des Kultusministeriums Baden-Württembergs, mit dem Ziel, Friedensbildung in Schulen zu stärken. Über diesen Zeitraum haben wir unser Angebot kontinuierlich ausgebaut und weiterentwickelt. Allein in den ersten Monaten des Jahres 2024 haben bereits 75 solcher Workshops in Schulen in Baden-Württemberg stattgefunden – so viele wie im gesamten Jahr 2023.
Des Weiteren publizieren wir frei verfügbares friedenspädagogisches Lernmaterial, haben ein Zertifizierungsprogramm für Schulen entwickelt, geben Lehrkräftefortbildungen und bieten Beratung an. Der Luxus, langfristig planen zu können, hat auch die Erschließung neuer Zielgruppen möglich gemacht: Angebote für Grundschulen und Sonderpädagogische Schulen sind erfolgreich angelaufen.
Eine Hauptsäule unserer Arbeit sind die Schulworkshops, die direkt auf unsere wichtigste Zielgruppe, die Schüler*innen, zugeschnitten sind. Wir bieten sieben verschiedene Formate zu Themen wie demokratische Teilhabe, Streitkultur oder der Analyse konkreter Konflikte an. Das Interesse an den Angeboten ist enorm. Das liegt an den vielen Fragen die Schüler*innen – und auch Lehrkräfte – zu aktuellen Kriegen und gesellschaftlichen Herausforderungen haben.
„Ich bin froh, dass Sie hier sind!“, begrüßt der Lehrer einer 10. Klasse meine Kollegin und mich. Ein Satz, den ich seit der erneuten Eskalation des Konflikts im Nahen Osten sehr oft gehört habe. Das Bedürfnis der Lehrkräfte, sich dem Thema anzunehmen, ist groß. Groß sind jedoch auch die Bedenken, selbst nicht ausreichend Expertise zu besitzen oder im Unterrichtsalltag nicht den Raum für eine altersgerechte und sensible Auseinandersetzung schaffen zu können. Die Servicestelle wird oft von Schulen genau dann dazu geholt, wenn es um heikle Themen geht. Ein Zeichen für das Vertrauen, dass wir uns als verlässlicher Partner aufgebaut haben.
Interessierte junge Erwachsene unterstützen unsere Workshops
Um alle Anfragen annehmen zu kommen, sind neben dem Projektteam rund 40 freie Mitarbeiter*innen, Woche für Woche überall im Land unterwegs, um Workshops für die Servicestelle zu halten. Ohne sie wäre ein flächendeckendes Angebot undenkbar, immerhin gibt es allein 1.650 weiterführende Schulen in Baden-Württemberg.
Die freien Mitarbeiter*innen sind engagierte Menschen mit Erfahrung in der Arbeit mit Geflüchteten, der Erlebnispädagogik, christlicher oder muslimischer Jugendarbeit, und diversen anderen Berufs- und Studienfeldern. Diese Gruppe spiegelt die Diversität der Klassenzimmer besser wider als unser Projektteam es je könnte. Oft sind die freien Mitarbeiter*innen den Schüler*innen in ihren Lebenswelten auch näher als viele Lehrkräfte. Denn durch unseren Ansatz, von und mit möglichst Gleichaltrigen zu lernen, sind es junge Erwachsene, die da vor der Klasse stehen. Die jüngste freie Mitarbeitende ist derzeit 18 Jahre alt.
Die Motivation der jungen freien Mitarbeiter*innen ist eine der wertvollsten Ressourcen der Servicestelle. Sie ist spürbar und ansteckend – auch im Klassenzimmer.
Zur Ausbildung besuchen die Anwärter*innen zunächst unsere Basisschulung, in der wir Grundlagen der Friedensbildung, die Prinzipien und Regeln politischer Bildungsarbeit in Deutschland (Beutelsbacher Konsens) und herausfordernde Situationen im Klassenzimmer diskutieren. Anschließend geht es dann zur Hospitation an eine Schule.
Die freien Mitarbeiter*innen sind aus Überzeugung mit an Bord und fordern entsprechend ein, was sie für wichtig empfinden, z.B. eine kolonialismuskritische und traumasensible Überprüfung unserer Formate. Es ist deshalb für uns unglaublich wertvoll, neue Workshops zunächst mit ihnen auszuprobieren und kritisch zu diskutieren.
Ihre Bereitschaft, sich in Themen einzuarbeiten, ihre Perspektive einzubringen und all das auch nach außen zu tragen, inspiriert mich bei jeder Schulung aufs Neue. Meiner Meinung nach ist das eine der wertvollsten Ressourcen der Servicestelle. Motivation also, die spürbar ist und ansteckend – auch im Klassenzimmer.
Mehr Informationen zur Arbeit der Servicestelle Friedensbildung: www.friedensbildung-bw.de
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